Sonntag, 21. Juli 2013

Antrag: b) Keine verfassungskonforme Auslegung des § 31 a Abs. 1 und 2 SGB II


b) Keine verfassungskonforme Auslegung des § 31 a Abs. 1 und 2 SGB II

Bei Leistungskürzungen nach § 31a, § 31b, § 32 SGB II [ggf. § 32 streichen!] kommt eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht, weil sie contra legem wäre.

Der Wortlaut des § 31a Abs. 1 und 2 SGB II und des § 32 SGB II [ggf. § 32 streichen!] ist eindeutig, entspricht der in der Gesetzesbegründung offengelegten Absicht des Normgebers und lässt keinen Beurteilungsspielraum zu.

Einzige Tatbestandsvoraussetzung für eine Sanktion ist eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II. Der in § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II normierte unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes" kommt nicht als Abwägungskriterium in Betracht, da er nur zur Definition der Pflichtverletzung führt, die anschließende Rechtsfolge sich aber allein nach § 31a SGB II bestimmt. Eine Pflichtverletzung nach § 31 SGB II muss erst festgestellt sein, bevor § 31a Abs. 1 und 2 SGB II zur Anwendung kommt. Im Anwendungsbereich der Sanktionsnorm gibt es somit überhaupt keine Entscheidungsmöglichkeit für die Verwaltung mehr.

Auch ist die Definition des „wichtigen Grundes“ bereits detailliert von der Rechtsprechung (durch eine Analogie zum SGB III) vorgenommen worden. Als wichtige Gründe gelten alle Umstände des Einzelfalls, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Leistungsberechtigten in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen.

Vgl. Knickrehm - Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Auflage 2011, Rn. 24; BSG 9.11.2010 – B 4 AS 27/10 R; vgl. auch Mutschler, § 144 SGB III; ABC des wichtigen Grundes bei Winkler in: Gagel, § 144 SGB III-Anhang; ähnlich Valgolio in: Hauck/Noftz SGB II, § 11 Rn. 74; zum SGB III BSG, 12.7.2006 – B 11 a AL 55/05 R.

Die Tatbestände des § 31 SGB II entfallen nur, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darlegt und nachweist. Wichtige Gründe können z. B. im beruflichen oder persönlichen Bereich des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten liegen. Ein wichtiger Grund muss jedoch objektiv vorliegen,

vgl. BSG NJW 2011, 2073, 2076; Berlit in: ZfSH/SGB 2008, 1 ff., 6; Sonnhoff in juris-PK SGB II, Stand 15.8.2011, § 31 Rn. 104; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 11/2011, § 31 Rn. 167; Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, Rn 63 ff.

Diese Definition bietet gerade keinen Raum für eine rechtsfolgenbezogene Abwägung derart, dass etwa auch die unverhältnismäßigen Folgen einer Sanktion den Tatbestand entfallen lassen könnten.

Auch auf Rechtsfolgenseite findet sich bei § 31a ff. SGB II kein unbestimmter Rechtsbegriff. Im Unterschied zu § 1a AsylbLG sowie zur früheren Vorschrift des § 25 BSHG findet durch §§ 31a, 32 SGB II keine Absenkung der Leistung auf das „nach den Umständen unabweisbar Gebotene“ bzw. das „zum Lebensunterhalt Unerlässliche“ statt, sondern es werden exakte prozentuale Leistungskürzungen (Sanktionsstufen) vorgegeben: um 10 % bzw. 30 %, 60 %, 100 %, sowie das völlige Entfallen des ALG-II-Anspruchs inklusive der Kosten für Krankenkasse und für Unterkunft und Heizung.

Auch hinsichtlich der Verhängung einer Sanktion sowie bezüglich der Dauer einer Leistungskürzung ist kein Ermessen der Verwaltung (z. B. durch Einzelfallprüfung oder Härtefallklausel) vorgesehen. § 31a SGB II etabliert sie vielmehr als zwingende Rechtsfolge ohne Ausnahmetatbestände. § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II sieht zusätzlich eine starre Dauer des Minderungszeitraums von drei Monaten vor, einzig bei Unter-25-Jährigen kann er auf (wiederum starre) sechs Wochen reduziert werden.

An diese strikten gesetzlichen Vorgaben ist die Verwaltung aufgrund des Vorrangs des Gesetzes und sind auch die überprüfenden Gerichte in jedem Einzelfall gebunden. Eine Möglichkeit, durch eine Einzelfallabwägung eine Sanktion nicht zu verhängen oder diese aufgrund von Verhältnismäßigkeitserwägungen zu reduzieren

(zu dieser Möglichkeit bei Kürzungen des alten § 25 BSHG vgl. BVerwG, V C 109.66 vom 31.1.1968),

ist im SGB II nicht vorgesehen. Ausdrücklich wird durch § 21 b Abs. 2 SGB II auch das Ausweichen auf Leistungen des SGB XII verwehrt.

Eine Auslegung, die dazu führte, dass trotz Einschlägigkeit der §§ 31a ff. SGB II keine verminderten, sondern reguläre Leistungen entrichtet werden könnten (wie sie durch einige Gerichte im Bereich des § 1a AsylbLG erfolgt) wäre daher offensichtlich unzulässig.

Sie wird – soweit ersichtlich – auch weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung vertreten.

 

3 Kommentare:

  1. "EineMöglichkeit" (Absatz beginnt mit "
    An diese strikten gesetzlichen Vorgaben..."

    bitte Freizeichen zur Worttrennung einfügen:
    "Eine Möglichkeit"

    Herzlichst! Detlef

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  2. 1) Vorgeschlagene Ergänzung eines Satzes: "sowie Verlust der Krankenkasse"

    " (...) um 10 % bzw. 30 %, 60 %, 100 % sowie das völlige Entfallen des ALG-II-Anspruchs inklusive der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Verlust der Krankenkasse."

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  3. Der Teil hört sich an, als könnten die Flexi-Sanktionen, die derzeit gefordert werden, eher verfassungskonform sein.
    Ich bin dagegen, so zu argumentieren, dann zu warten, bis der Gesetzgeber Flexi-Sanktionen einführt, dann womöglich nochmal klagen zu müssen.
    Ich bin dafür, gleich auch mit GEGEN Flexi-Sanktionen zu argumentieren.

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