b) Keine verfassungskonforme Auslegung des § 31 a Abs.
1 und 2 SGB II
Bei Leistungskürzungen nach § 31a, § 31b, § 32
SGB II [ggf. § 32 streichen!]
kommt eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht, weil sie contra
legem wäre.
Der Wortlaut des § 31a Abs. 1 und 2 SGB II und des
§ 32 SGB II [ggf. § 32
streichen!] ist eindeutig, entspricht der in der Gesetzesbegründung
offengelegten Absicht des Normgebers und lässt keinen Beurteilungsspielraum zu.
Einzige Tatbestandsvoraussetzung für eine Sanktion ist eine
Pflichtverletzung nach § 31 SGB II. Der in § 31 Abs. 1 S. 2
SGB II normierte unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes"
kommt nicht als Abwägungskriterium in Betracht, da er nur zur Definition der
Pflichtverletzung führt, die anschließende Rechtsfolge sich aber allein nach
§ 31a SGB II bestimmt. Eine Pflichtverletzung nach § 31
SGB II muss erst festgestellt sein, bevor § 31a Abs. 1 und 2 SGB II
zur Anwendung kommt. Im Anwendungsbereich der Sanktionsnorm gibt es somit
überhaupt keine Entscheidungsmöglichkeit für die Verwaltung mehr.
Auch ist die Definition des „wichtigen Grundes“ bereits
detailliert von der Rechtsprechung (durch eine Analogie zum SGB III)
vorgenommen worden. Als wichtige Gründe gelten alle Umstände des Einzelfalls,
die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des
Leistungsberechtigten in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der
Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen.
Vgl. Knickrehm - Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2.
Auflage 2011, Rn. 24; BSG 9.11.2010 – B 4 AS 27/10 R; vgl. auch
Mutschler, § 144 SGB III; ABC des wichtigen Grundes bei
Winkler in: Gagel, § 144 SGB III-Anhang; ähnlich Valgolio
in: Hauck/Noftz SGB II, § 11 Rn. 74; zum
SGB III BSG, 12.7.2006 – B 11 a AL 55/05 R.
Die Tatbestände des § 31 SGB II entfallen nur,
wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein
Verhalten darlegt und nachweist. Wichtige Gründe können z. B. im beruflichen
oder persönlichen Bereich des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten liegen. Ein
wichtiger Grund muss jedoch objektiv vorliegen,
vgl. BSG NJW 2011, 2073, 2076; Berlit in: ZfSH/SGB 2008, 1
ff., 6; Sonnhoff in juris-PK SGB II, Stand 15.8.2011, § 31 Rn. 104;
Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 11/2011, § 31 Rn. 167;
Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, Rn 63 ff.
Diese Definition bietet gerade keinen Raum für eine rechtsfolgenbezogene
Abwägung derart, dass etwa auch die unverhältnismäßigen Folgen einer Sanktion
den Tatbestand entfallen lassen könnten.
Auch auf Rechtsfolgenseite findet sich bei § 31a ff.
SGB II kein unbestimmter Rechtsbegriff. Im Unterschied zu § 1a AsylbLG
sowie zur früheren Vorschrift des § 25 BSHG findet durch §§ 31a, 32
SGB II keine Absenkung der Leistung auf das „nach den Umständen
unabweisbar Gebotene“ bzw. das „zum Lebensunterhalt Unerlässliche“ statt,
sondern es werden exakte prozentuale Leistungskürzungen (Sanktionsstufen)
vorgegeben: um 10 % bzw. 30 %, 60 %, 100 %, sowie das völlige Entfallen des
ALG-II-Anspruchs inklusive der Kosten für Krankenkasse und für Unterkunft und Heizung.
Auch hinsichtlich der Verhängung einer Sanktion sowie
bezüglich der Dauer einer Leistungskürzung ist kein Ermessen der
Verwaltung (z. B. durch Einzelfallprüfung oder Härtefallklausel) vorgesehen.
§ 31a SGB II etabliert sie vielmehr als zwingende Rechtsfolge ohne
Ausnahmetatbestände. § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II sieht zusätzlich eine
starre Dauer des Minderungszeitraums von drei Monaten vor, einzig bei
Unter-25-Jährigen kann er auf (wiederum starre) sechs Wochen reduziert werden.
An diese strikten gesetzlichen Vorgaben ist die Verwaltung
aufgrund des Vorrangs des Gesetzes und sind auch die überprüfenden Gerichte in
jedem Einzelfall gebunden. Eine Möglichkeit, durch eine Einzelfallabwägung eine
Sanktion nicht zu verhängen oder diese aufgrund von
Verhältnismäßigkeitserwägungen zu reduzieren
(zu dieser Möglichkeit bei Kürzungen des alten § 25 BSHG
vgl. BVerwG, V C 109.66 vom 31.1.1968),
ist im SGB II nicht vorgesehen. Ausdrücklich wird durch
§ 21 b Abs. 2 SGB II auch das Ausweichen auf Leistungen des SGB XII
verwehrt.
Eine Auslegung, die dazu führte, dass trotz Einschlägigkeit
der §§ 31a ff. SGB II keine verminderten, sondern reguläre Leistungen
entrichtet werden könnten (wie sie durch einige Gerichte im Bereich des § 1a
AsylbLG erfolgt) wäre daher offensichtlich unzulässig.
Sie wird – soweit ersichtlich – auch weder in der Literatur
noch in der Rechtsprechung vertreten.
"EineMöglichkeit" (Absatz beginnt mit "
AntwortenLöschenAn diese strikten gesetzlichen Vorgaben..."
bitte Freizeichen zur Worttrennung einfügen:
"Eine Möglichkeit"
Herzlichst! Detlef
1) Vorgeschlagene Ergänzung eines Satzes: "sowie Verlust der Krankenkasse"
AntwortenLöschen" (...) um 10 % bzw. 30 %, 60 %, 100 % sowie das völlige Entfallen des ALG-II-Anspruchs inklusive der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Verlust der Krankenkasse."
Der Teil hört sich an, als könnten die Flexi-Sanktionen, die derzeit gefordert werden, eher verfassungskonform sein.
AntwortenLöschenIch bin dagegen, so zu argumentieren, dann zu warten, bis der Gesetzgeber Flexi-Sanktionen einführt, dann womöglich nochmal klagen zu müssen.
Ich bin dafür, gleich auch mit GEGEN Flexi-Sanktionen zu argumentieren.